In Folge 20 unseres Podcasts D wie Digital haben wir mit Rolf Apfeld gesprochen. Hier könnt ihr die Folge nachhören.

DiFü-News: Herr Apfeld, Sie sind Bürgermeister von Glückstadt. Was können die Einwohner:innen von Glückstadt bereits digital erledigen?

Rolf Apfeld: Mittlerweile sind es bei uns über 30 Verwaltungsdienstleistungen, die Bürger:innen abrufen können und die komplett digital bearbeitet werden. Das sind zum Beispiel die Ermäßigung für Kita-Elternbeiträge. Außerdem ist der Online-Dienst für die Anmeldung zum offenen Ganztag freigeschaltet. Unsere Verwaltung unternimmt sehr viel, um den Einwohner:innen entgegen zu kommen.

Rolf Apfeld, Bürgermeister von Glückstadt.

DiFü-News: Wie kommt das bei den Bürger:innen an?

Rolf Apfeld: Besonders die, die schon sehr technikaffin sind, nehmen das sehr gut an. An dieser Stelle merkt man auch, welche Generationen intensiv mit Digitalisierung aufgewachsen sind. Ich kenne zum Beispiel beide Welten und manchmal merkt man schon, dass wir Älteren da etwas hinterherhinken. Es sind sehr viele dabei, die aber bestrebt sind, sich mit dem Thema Digitalisierung auseinanderzusetzen. Das dauert manchmal länger und je jünger sie sind, umso selbstverständlicher funktioniert es. Deswegen legen wir großen Wert darauf, dass alles leicht verständlich ist – und fangen dann oft auch mit Menschen an, die mit Technologie noch nicht so schnell und zügig umgehen.

DiFü-News: Haben Sie Zahlen, wie oft die digitalen Dienstleistungen genutzt werden?

Rolf Apfeld: Wir merken, dass die Papieranträge immer weniger abgerufen werden und wir sie eigentlich nur noch aus Pflicht ausliegen haben. Im Großen und Ganzen sind die Anträge weniger geworden.

DiFü-News: Welchen Einfluss haben Sie in Ihrer Position auf die Digitalisierung Ihrer Verwaltung?

Rolf Apfeld: Der Einfluss ist erheblich. Ich habe immer eine Vorbildfunktion inne. Ich arbeite zum Beispiel selbst noch nicht papierlos. Aber ich bestärke meine Mitarbeitenden, dass sie nicht auf mich warten müssen, sondern dass sie weitergehen als ich. Es liegt in der Verantwortung eines einzelnen, auch eines Bürgermeisters, sich so aufzurüsten, dass er papierlos mitarbeiten kann. Ich erwarte auch von Politiker:innen, die in der Stadtvertretung sind und dort höhere Funktionen übernehmen, dass sie Digitalisierung aktiv befürworten. Wer Einfluss hat, sollte auch lernbereit und uneitel sein: Das ist das mit das größte Hemmnis in der Digitalisierung. Die vielen kleinen Eitelkeiten. Menschen, die Entwicklung ausbremsen und nicht mit der Zeit gehen. Denn wenn ich zum Beispiel auf Vorlagen auf Papier bestehe, dann muss ich mich fragen: Warum sollten Sachbearbeiter:innen dann nicht auch am Papier festhalten?

DiFü-News: Was machen Sie konkret, um in Ihrer Rolle als Bürgermeister Digitalisierung voranzutreiben?

Rolf Apfeld: Als Verwaltungsleiter bin ich dafür zuständig, die entsprechenden Ressourcen freizuhalten. Das bedeutet, den Kolleg:innen, die das umsetzen und daran arbeiten, den Rücken freizuhalten und sie zu bestärken. Ich bin dann auch bereit, den Dummy zu spielen und einfache Fragen zu stellen: Wie funktioniert das? Ist das alles berücksichtigt? Denn gerade Fachdienstleistende haben oft eine Brille auf. Es ist wichtig, eine andere Perspektive als die eigene einzunehmen. Für eine IT-Fachperson, die etwas programmiert hat, ist alles einfach und logisch. Aber die Sachbearbeiter:innen sind diejenigen, die sich im Prozess zurechtfinden müssen. Dazu gehört zum Beispiel auch, dass nur die Felder freigeschaltet sind, die auch ausgefüllt werden müssen. Das alles kann man steuern, aber dazu muss man vorher besser planen.

DiFü-News: Welche Herausforderungen nehmen Sie wahr?

Rolf Apfeld: Mir fehlt oft die Zusammenarbeit, um konstruktive Lösungen zu erarbeiten. Also selbst wenn man sich schon geeinigt hat, dass ein Land eine Aufgabe übernimmt, wird daran nicht gearbeitet. Die Digitalisierung in der Verwaltung wird oft von der Politik ausgebremst. Da fehlt einfach der Wille der Umsetzung. Für gewisse Vorhaben gibt es noch immer keine rechtlichen Grundlagen. Das kann nicht sein. Und dann heißt es oft: Die Verwaltung ist schuld, warum bieten sie die Leistungen nicht an? Und die Antwort darauf ist: Weil wir keine rechtliche Grundlage dafür haben, können wir es nicht machen.

DiFü-News: Was fehlt Ihnen?

Rolf Apfeld: Das ist zum Beispiel die Möglichkeit, dass wir keine Steuerdaten weitergeben dürfen. Die Steuerzahlenden müssen dann in jeder Behörde dieselben Daten und Formulare mehrmals ausfüllen.

DiFü-News: Das ist interessant, dass Sie das erwähnen. In meinem Gespräch mit dem estnischen Wirtschaftsattaché ging es auch darum, welche Daten weitergegeben werden dürfen und dass Bürger:innen dort jederzeit einsehen können, wer persönliche Daten sehen kann. Das würde vieles wahrscheinlicher einfacher machen.

Rolf Apfeld: Es gibt bereits das Servicekonto Schleswig-Holstein, das allerdings mit den anderen Ländern noch nicht kompatibel ist. Theoretisch bräuchten alle Bürger:innen ein Servicekonto Deutschland, in dem alle Kerndaten abgelegt sind, auf die Behörden zugreifen könnten. Die Technik gibt es, aber dadurch, dass jedes Land selbst immer eine eigene Lösung erarbeiten will, fehlen Kapazitäten. Denn das heißt, dass mehrere Firmen parallel arbeiten – obwohl man diese Kapazitäten besser und anders einsetzen könnte. Im Endeffekt wäre es gut, wenn alle im Rahmen des Föderalismus einen Schritt zurückgehen und sich gegenseitig klare Aufgaben und Fristen geben. Dann könnte man auch gemeinsame Schnittstellen entwickeln. Das Ganze müsste dann koordiniert werden – am Ende kann das dann nur der Bund sein.

DiFü-News: Das waren sehr viele Ideen und Wünsche. Leider sind wir noch nicht an diesem Punkt. Welche Herausforderungen sehen Sie?

Rolf Apfeld: Wir haben einen Mangel an Fachkräften, der nur noch schlimmer werden wird. In der Hinsicht würde ich mich freuen, wenn sich die Parteien in Berlin über ein entsprechendes Einwanderungsgesetz einigen könnten, was den Menschen, die zu uns kommen wollen, eine Perspektive gibt, wann und wie sie arbeiten können. Es gibt so viele Fachkräfte, die nicht die Möglichkeiten haben, zu arbeiten und durch ein sehr komplexes Verfahren geschleust werden. Wenn man diese Verfahren im Vorfeld vereinheitlichen würde, dann könnten wir Deutschland für IT-Kräfte attraktiver machen. Momentan ist die Situation eher abschreckend, sodass sich Fachkräfte entscheiden, in andere Länder zu gehen.

DiFü-News: Was ist Ihnen noch wichtig?

Rolf Apfeld: Ein Beispiel: Wir sind in Schleswig-Holstein gut aufgestellt mit der Verlegung von Glasfaser. Glückstadt wollen wir in den nächsten zwei Jahren vollständig erschlossen haben. Dann können die digitalen Dienstleistungen auch mit einer entsprechenden Geschwindigkeit abgerufen werden. Ich würde mir wünschen, dass es Regulierungen gibt, dass, wenn das Glasfasernetz verlegt ist, man sich das auch teilt – und nicht, dass weitere Anbieter alles aufreißen und eine weitere Schicht verlegen. Am Ende hätte man nämlich die Anwohnenden mit permanenten Bauarbeiten gestresst. Außerdem würde eine solche fehlende Kommunikation auch Tiefbaukapazitäten binden, die wir nicht haben.

Ich denke, ich habe schon sehr viel Kritik geäußert, was eigentlich nicht meine Art ist, weil ich immer gerne das Positive sehe. Allerdings muss man manchmal auch die Hindernisse benennen, damit sich etwas verändert. Denn der Wille ist da – wir müssen es nun nur noch umsetzen.

DiFü-News: Vielen Dank für das spannende Gespräch!

Gesprächspartner in dieser Folge von „D wie Digital“: Rolf Apfeld, Bürgermeister von Glückstadt.

Artikelbild: Ruan Richard Rodrigues via unsplash.com