In Folge 28 unseres Podcasts „D wie Digital“ haben wir mit Stephan Sorkin über Virtual Reality gesprochen. Hierkönnt ihr die Folge nachhören. 

DiFü-News: Herr Sorkin, was ist eigentlich „Virtual Reality“? 

Stephan Sorkin: Wir sind die Branche mit der höchsten Dichte an Buzzwords, also Trend-Schlagwörtern.  Dass es gefühlt jedes Jahr ein neues heißes Wort gibt, macht es nicht einfacher zu erklären, was genau wir machen. Doch unter Virtual Reality können sich viele etwas vorstellen: dass es ein Raumkonzept ist, dass es mit Computern zusammenhängt und dass man, wenn man einen virtuellen Raum betritt, alles Mögliche machen kann. Einfach gesagt: Mit Virtual Reality geht man von einer gelebten in eine virtuelle Realität. Augmented Reality hingegen bezeichnet eine Situation, in der man den Vorhang einer virtuellen Welt öffnet: Man sieht die reale Welt, die aber von virtuellen digitalen Objekten bevölkert wird.  

DiFü-News: Also wie zum Beispiel im Spiel „Pokémon Go“, das vor einigen Jahren so beliebt war?  

Stephan Sorkin: Ja! Also jetzt von der Technikseite her. Bei virtueller Realität hingegen schafft man einen Raum und platziert die Leute dort. Aber ich muss ehrlich sein: Wir versuchen, nicht mehr so stark in Schubladen zu denken, in der Trennung zwischen VR und AR. Wir haben gemerkt, dass das mehr verwirrt, als dass es klärt, und dass wir als Branche fließend zwischen VR und AR und anderen Technologien arbeiten.  

DiFü-News: Sie sind im Vorstand beim EDFVR. 

Stephan Sorkin: Genau – das steht für „Erster Deutscher Fachverband für Virtual Reality“. Der Name ist ein super Türöffner, weil Menschen direkt begreifen, was wir sind und was wir machen.   

DiFü-News: Sie haben schon viele spannende Projekte gesehen und selbst umgesetzt. Was hat Ihnen am besten gefallen?  

Stephan Sorkin: Eine der ersten Anwendungen, die ich gesehen habe, war eine Anwendung von Audi, mit denen das Unternehmen ihre Mitarbeitenden geschult hat, Kisten einzupacken, nachdem es beim Versand von Ersatzteilen Schwierigkeiten gab. Wir haben heute viele Anwendungen, sogenannte Experiences, im Bereich Training, die weiterhin sehr spannend sind.  

Wenn man jemandem zum Beispiel beibringen möchte, im Hochspannungswerk eine Sicherung auszutauschen, ist es sinnvoll, das Training in Virtual Reality durchzuführen. Wenn dabei jemand einen Fehler macht, dann trifft die Überschlagsladung nicht die Person, sondern nur einen Avatar. Das ist nicht gefährlich, aber führt trotzdem zu einem Lerneffekt. Menschen können Fehler machen, ohne dass sie tatsächlich in Gefahr sind.   

Ein weiterer Anwendungsfall, der mich sehr beeindruckt hat: Vor einigen Jahren hat eine Firma Virtual Reality mit Ultraschall zusammengebracht. Schwangere konnten mit einer VR-Brille ihr Kind sehen; das Gerät konnte die Zweidimensionalität des Ultraschalls in die dritte Dimension übersetzen.  

DiFü-News: Das sind also Beispiele, wo VR die Zusammenarbeit verbessert und zum medizinischen Fortschritt beiträgt.  

Stephan Sorkin: Ja, genau! Auch der Mobilitätsaspekt ist dabei wichtig: Sie müssen nicht reisen, um virtuell oder digital mit jemandem zu kommunizieren, das hat auch einen Nachhaltigkeitseffekt. Videokonferenzen haben schon eine ganze Menge gebracht, aber die Qualität der Kommunikation ist höher, wenn man sich gegenüber im Raum sieht. Da wollen wir noch hin.  Vielleicht macht das so Sinn. Manchmal macht es bestimmt auch Sinn, jemanden als Person direkt vor sich zu sehen und wahrzunehmen. Je höher die Wahrnehmungstiefe, desto besser.  

DiFü-News:  Aus Nachhaltigkeitsgründen sollten wir VR also schon mal integrieren in unser Leben. Was spricht noch für VR?  

Stephan Sorkin: Ich glaube, die Interaktion mit digitalen Systemen kann nur besser werden. Sie sollte jedenfalls nicht in die Richtung „immer mehr, immer dichter,  immer wilder“ gehen. Wir müssen das menschenfreundlicher machen – nicht, indem wir die Komplexität erhöhen, sondern indem wir Komplexität humaner gestalten. Das ist ein hoher Anspruch. Mal gucken, ob wir das das schaffen. 

DiFü-News: Es ist also eine Herausforderung, das so zu gestalten, dass es nicht ermüdend wird. Das heißt aber auch, dass unser Begriff von Realität sich in den nächsten Jahren verändern wird. 

Stephan Sorkin: Ja! Der Grund, weshalb der Mensch überhaupt überlebt hat, ist unsere Anpassungsfähigkeit.  Natürlich werden wir uns auch in Bezug auf Informationsaufnahme, auf Denkstrukturen, weiterentwickeln. Und diejenigen, die das besser können, werden Vorteile haben. Wir nehmen dabei aber nicht alle mit.  

Meine Mutter war die analogste Person dieser Erde – sie hat es geschafft, in ihrem Leben nicht zum Geldautomaten zu gehen. Wenn ich mir Verwaltung und Politik anhöre, wie die sich vorstellen, wie Dienstleistungen funktionieren sollen, denke ich oft an Menschen wie meine Mutter: Wie sollen sie ihre Steuererklärungen machen ohne Handy? Da merken wir schon, wie rücksichtlos wir eigentlich sind.  

Ich habe damit kein Problem, ich bin jetzt 58 und komme noch gut zurecht. Man muss aber schauen, wie es an den Rändern der Gesellschaft aussieht. Wir dürfen diejenigen, die das Digitale nicht gewohnt sind, nicht alleine lassen. Wir müssen sie am Fortschritt beteiligen.  

DiFü-News: Wenn Sie die Zukunft dieser Technologien in drei Wörtern beschreiben müssten,  welche würden sie nutzen? Als Abschluss?  

Stephan Sorkin: Schnell, weich, unscharf. 

Schnell, weil man versucht, Prozesse schneller zu gestalten und Geschwindigkeit und Zeit wichtige Faktoren sind.  

Unscharf, weil der Grad des Digitalen noch nicht konkret genug ist.  

Weich, weil ich das Gefühl habe, dass wir im Fortschritt gebremst werden. Dass es vielleicht auch gut sein kann, gebremst zu werden. Gleichzeitig ist es aber auch lästig. Und manchmal habe ich auch das Gefühl, dass ich vielleicht doch nicht gebremst werde, sondern tatsächlich eher straight forward weitergehe und schneller werde. 

DiFü-News: Danke für das Gespräch, Herr Sorkin! 

Artikelbild: Martin Sanchez via unsplash