Nach Schätzung des GKV-Spitzenverbandes werden in Deutschland jährlich etwa 77 Millionen Krankmeldungen ausgestellt. Um Arbeitnehmer:innen und Krankenkassen zu entlasten, entfällt seit Jahresbeginn in Praxen das Ausstellen von gedruckten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Damit gehört der bisherige „gelbe Schein“ der Vergangenheit an.  Durch das elektronische Verfahren soll die Arbeitsunfähigkeit vollständig bei der Krankenkasse archiviert werden und damit auch die Zahlung von Krankengeld rechtssicher vonstattengehen. Ursprünglich sollte die eAU bereits am 1. Oktober 2021 im Rahmen des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) eingeführt werden. Das scheiterte jedoch an der mangelnden technischen Ausstattung vieler Praxen, sodass der flächendeckende Start verschoben werden musste.

Gute Digitalisierungsvorstöße passieren bisher an unterschiedlichen Enden und der pandemiebedingte Digitalisierungsschub hat bewiesen, wie digitale Tools Versorgungsprozesse optimieren und Gesundheitsfachkräfte entlasten können. Aber damit digitale Anwendungen ihren vollständigen Nutzen entfalten, müssen sie einfach zu bedienen und auf den Alltag von Ärzt:innen und Fachangestellten zugeschnitten sein. Hier gibt es definitiv noch Verbesserungsbedarf. So gaben im Praxisbarometer Digitalisierung der KBV 54 Prozent der Ärzt:innen an, dass die fehlende Nutzerfreundlichkeit digitaler Anwendungen die weitere Digitalisierung der Praxen hemmt.

Bild von Nikolay Kolev, Managing Director von Doctolib Deutschland

Nikolay Kolev – Managing Director bei Doctolib Deutschland & Vorstandsmitglied Global

Seit Juli 2022 sind ärztliche Praxen dazu verpflichtet, die eAU zu nutzen, während Unternehmen zunächst in einer einjährigen Pilotphase (Januar bis Dezember 2022) ihre Systeme testen, Fehler beheben und damit ihre internen Abläufe eAU-tauglich gestalten konnten.

Wie läuft eine Krankschreibung mit eAU ab?

Im Krankheitsfall sind Angestellte weiterhin verpflichtet, ihren Arbeitgeber umgehend davon in Kenntnis zu setzen. Die Anzeige- und Nachweispflicht ist im Entgeltfortzahlungsgesetz (§5 EFZG) geregelt und bleibt von den Änderungen unberührt: Spätestens am vierten Tag muss eine ärztliche Bescheinigung vorliegen. Arbeitgeber dürfen diese allerdings schon ab dem ersten Tag einfordern. Bei einer ärztlichen Krankschreibung bekommt man seit dem 1. Januar 2023 nur noch einen Papierbeleg für die eigenen Unterlagen. Für 2023 ist geplant, diesen Ausdruck auch in der eigenen elektronischen Patientenakte speichern zu lassen. Eine Übermittlung der Krankschreibung an den Arbeitgeber und die Krankenkasse durch die Angestellten ist nicht mehr erforderlich.

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Was passiert bei technischen Problemen?

Sollte die elektronische Übermittlung von der Praxis zum Beispiel wegen anhaltender technischer Probleme nicht möglich sein, erhalten gesetzlich Versicherte einen Ersatzausdruck in Papierform. Diesen müssen Versicherte an die Krankenkasse schicken, die dann die Informationen digitalisiert und dem Arbeitgeber zur Verfügung stellt. Dieses Verfahren soll aber tatsächlich nur im Ausnahmefall greifen. Kurzfristige Internetprobleme stellen keine Gefahr dar, da die Praxis-Software die Daten speichert und einfach verschickt, sobald wieder eine Verbindung besteht.

In welchen Fällen ist keine elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung möglich?

Wer privat versichert ist, kann aktuell keine digitale Bescheinigung erhalten. Auch bei Krankheit eines Kindes (relevant für Kinderkrankengeld), Beihilfeberechtigten, Minijobs in Privathaushalten und Bescheinigungen aus dem Ausland ist bislang keine eAU vorgesehen. Da in diesen Fällen dennoch eine Vorlagepflicht besteht, bleibt es hier bei der bislang bekannten Lösung in Papierform: den drei Ausdrucken für die Krankenkasse, den Arbeitgeber und für die eigenen Unterlagen.

Außerdem befürchtet die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), dass nicht alle Arbeitgeber in der Lage sein werden, die elektronische Krankschreibung digital abzurufen. Deswegen ist es Praxen überlassen, ob sie neben der elektronischen Krankschreibung auch zusätzlich noch Papierausdrucke für die Versicherten ausdrucken.

Um sicherzustellen, dass die Services für Anwender:innen leicht zu bedienen sind, ist es wichtig, sich erstens mit Leistungserbringern und Verbänden auszutauschen, um die Bedürfnisse der Nutzer:innen zu verstehen und zweitens mit anderen Anbieter:innen zu kooperieren und die bestmögliche Lösung bereitzustellen. Nur so kann auch die flächendeckende Akzeptanz und Nutzung von ePA, eAU und eRezept gewährleistet werden, die wiederum maßgeblich dafür ist, dass handfeste Einsparungen möglich sind, die zurück in das Gesundheitssystem investiert werden können. Dabei muss zu jeder Zeit sichergestellt sein, dass der Schutz sensibler Gesundheitsdaten gewährleistet wird. Der Erhalt konsequenter Datenschutzrichtlinien ist daher unerlässlich.

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Nikolay Kolev – Managing Director bei Doctolib Deutschland & Vorstandsmitglied Global

Welche Daten werden übermittelt und wie sicher ist das?

Praxen schicken lediglich den Namen der versicherten Person, den Beginn und das Ende der Arbeitsunfähigkeit sowie die Info, ob es ein Erst- oder ein Folgeantrag ist, an die Krankenkassen. Sollte es sich um einen (wahrscheinlichen) Arbeitsunfall handeln, werden auch dazu Angaben gemacht. Namen der Praxen und der behandelnden Ärzt:innen bleiben ebenso geheim wie die genaue Diagnose.
Die Übertragung erfolgt über die sogenannte Telematik-Infrastruktur: Sämtliche Informationen werden von den Praxen bis zu den Krankenkassen verschlüsselt übertragen. Möchte ein Arbeitgeber die Daten abrufen, wird zunächst abgeglichen, ob dafür eine Berechtigung besteht – die Daten werden nur weitergegeben, wenn die jeweilige Person auch in diesem Betrieb angestellt oder versichert ist. Arbeitgeber müssen für jede:n Beschäftigte:n individuell Abfragen einreichen, ein pauschaler dauerhafter Zugriff für alle Mitarbeitenden ist nicht möglich.