In Folge 27 unseres Podcasts „D wie Digital“ haben wir mit Dr. Heike Winter über die Digitalisierung des Zahlungsverkehrs gesprochen. Hierkönnt ihr die Folge nachhören. 

DiFü-News: Frau Dr. Winter, was bedeutet eigentlich „Digitalisierung des Zahlungsverkehrs“?  

Dr. Heike Winter: Digitalisierung ist ein weites Feld im Zahlungsverkehr, das sich am besten erklären lässt, wenn man auf die Vorteile blickt. Ende der Neunziger-, Anfang der Nullerjahre, da wurden Überweisungen noch auf Papier ausgefüllt und zur Bank gebracht. Das war dann zwar in der Endverarbeitung digital, an der Schnittstelle zu den Verbraucher:innen allerdings noch nicht. Auch bei der Kreditkarte musste oft noch unterschrieben werden.  

Zahlungen haben sich ab Anfang der Nullerjahre stärker digitalisiert, weil sich auch das Umfeld digitalisiert hat, etwa in Form des Online-Handels. Diese Branche brauchte eine Möglichkeit, dass Kund:innen in der digitalen Welt direkt zahlen konnten. Das ist dann mit neuen Verfahren, unter anderem bei der Kreditkarte, möglich geworden. So hat sich der Zahlungsverkehr sehr schnell digitalisiert. Mittlerweile kommen auch Verfahren hinzu, bei denen man sogar mit dem Smartphone zahlen kann, wie zum Beispiel Apple Pay oder Google Pay. 

Die Situationen, in denen erwartet wird, dass jemand digital zahlt, nehmen deutlich zu.  Während Fahrkarten vor 20 Jahren häufig am Schalter mit Bargeld oder manchmal auch mit Karte gekauft wurden, kaufen heute viele ihre Fahrkarten über Apps, in denen sie Zahlungsmethoden ihrer Wahl hinterlegt haben.   

DiFü-News: Das heißt also, dass die Digitalisierung im Zahlungsverkehr im Alltag angekommen ist? 

Dr. Heike Winter: Ja! Und beim Zahlungsverkehr zwischen den Banken ist die Digitalisierung an der Schnittstelle noch früher aufgetreten. Im sogenannten Interbanken-Zahlungsverkehr war schon ab den Nullerjahren alles digital. Der größte Digitalisierungsschub im Zahlungsverkehr fand zwischen 2005 und 2015 statt. In diesem Zeitraum gab es Bezahlverfahren, die sich zunächst in einer Art Graubereich etabliert hatten. Es gab etwa Schnittstellen, bei denen auf das Onlinebanking der Verbraucher:innen zugegriffen wurde, ohne dass diese das bemerkten. Das wurde dann auch stärker reguliert. 

DiFü-News: Was ist 2005 passiert? 

Dr. Heike Winter: Das ganze Thema hat durch eBay einen großen Schub bekommen, als eBay mit PayPal antrat.  

DiFü-News: Das heißt, dass die Entwicklung des Internets auch die Entwicklung des digitalen Zahlungsverkehrs vorantreibt? 

Dr. Heike Winter: Ja! Der Online-Handel war ein entscheidender Faktor. Wenn die Bezahlverfahren kompliziert sind, ist das für die Branche ein echter Stolperstein. Die verschiedenen Zahlmöglichkeiten müssen reibungslos in den Kaufvorgang integriert werden – und dazu mussten erst einmal Methoden entwickelt werden.  

DiFü-News: Welche Rolle spielt die Bundesbank heute dabei? 

Dr. Heike Winter: Die Bundesbank ist im Zahlungsverkehr in drei Rollen aktiv. Zum einen bietet sie selbst Zahlungssysteme an, zum Beispiel gemeinsam mit der europäischen Zentralbank oder in dem Eurosystemkontext.  

In der zweiten Rolle bewerten wir als sogenannte Systemüberwacherin, ob die Risiken, die verschiedene Zahlungssysteme mit sich bringen, richtig adressiert sind.  

Die dritte Rolle der Bundesbank ist das, was wir Katalysatorrolle nennen: Unser gesetzlicher Auftrag ist, dass wir den reibungslosen Zahlungsverkehr gewährleisten sollen. Und das tun wir, indem wir überprüfen, ob Systeme effizient genug sind und was wir tun können, um in dieser recht komplexen Branche Neuerungen voranzutreiben.  

DiFü-News: Was für Neuerungen zum Beispiel?  

Dr. Heike Winter: In den vergangenen zwei, drei Jahren waren das zum Beispiel sogenannte Instant Payments, also Zahlungen, die in Echtzeit abgewickelt werden. Solche Zahlungen hat es bereits lange Zeit im Interbankenbereich gegeben. Aber jetzt ist die Technik auch so weit entwickelt, dass wir solche Zahlungen auch im sogenannten Massenzahlungsverkehr durchführen können.  

Für die Branche ist die entscheidende Frage immer, wer anfängt. Ein System funktioniert nicht, wenn nur eine einzelne Bank etwas anbietet. Für Neuerungen muss sich die gesamte Branche dafür entscheiden und gemeinsam Regeln entwickeln, Infrastrukturen aufbauen und nutzen. Vor diesem Hintergrund, dass Neuerungen im Zahlungsverkehr auf Kooperation aufbauen, ist unsere Katalysatorrolle gefragt.  

DiFü-News: Das klingt, als müsste man sehr viel Geduld mitbringen, um Neuerungen auf den Weg zu bringen.  

Dr. Heike Winter: Sie fassen es schon ganz gut zusammen. Es ist ein Geschäft, Zahlungsdienste anzubieten. Banken und auch andere Zahlungsdienstleister verdienen daran. Es gibt außerdem eine Abwicklungsindustrie, von denen normale Verbraucher:innen nicht so viel mitbekommen. Und wenn man sich im Einzelhandel umsieht, gibt es dort auch die Terminals, an denen Zahlungen durchgeführt werden. Da steckt schon mehr dahinter und es wird einiges an Einkommen und Erträgen generiert, wovon Verbraucher:innen nichts mitbekommen.  

DiFü-News: Sie haben vorhin über die Risiken gesprochen. Welche Risiken gibt es denn hinsichtlich der Digitalisierung im Zahlungsverkehr – auch für Verbraucher:innen? 

Dr. Heike Winter: Wenn technische Pannen auftreten und Zahlungen beispielsweise nicht abgewickelt werden, dann ist das ein Risiko. Das passiert immer wieder und muss dann genau untersucht werden. Das ist im Massenzahlungsverkehr ein Problem, wenn zum Beispiel im Weihnachtsgeschäft bestimmte Karten nicht mehr funktionieren. Das bedeutet, dass ein Geschäft nicht zu Ende geführt wird. Das ist für den gesamten Markt immer ein Problem. Von den Zentralbanken werden Regeln entwickelt, an die die Systeme sich halten müssen, die auch in großen internationalen Märkten gelten. Wir kontrollieren auch, ob sie das tun – in unserer Rolle als Systemüberwacherin. 

DiFü-News: Gegen die Risiken werden also Regeln vereinbart. Mich interessieren neben den Risiken auch die Chancen und Möglichkeiten. Welche sind das, und wie könnte die Zukunft aussehen? 

Dr. Heike Winter: Das Beispiel der Sofortzahlungen zeigt, dass diese den Zahlungsverkehr verbessert haben – die Verbraucher:innen können ihre Zahlungen schneller abwickeln. Das ist am Ende sogar in ein Gesetz gemündet, dass Banken und andere Zahlungsdienste diese Möglichkeiten anbieten müssen.  

Aktuell beschäftigen wir uns damit, Zentralbankgeld (das Verbraucher:innen als Bargeld zur Verfügung steht) auch in digitaler Form anzubieten. Das ist dann der sogenannte digitale Euro. Das ist ein großes Projekt, mit dem sich das Eurosystem im Moment beschäftigt, und auch hier ist Kollaboration entscheidend. Es ist ein gesamtgesellschaftliches Zusammenspiel, bei dem die Zentralbanken eng mit der Politik zusammenarbeiten.  

DiFü-News: An welchem Punkt steht das Projekt aktuell? 

Dr. Heike Winter: Wir haben ein Konzept entwickelt, wie ein digitaler Euro aussehen kann und gerade wird darüber diskutiert, welcher gesetzliche Rahmen notwendig ist. Wir sind auch schon dabei, uns Gedanken darüber zu machen, wie die technische Infrastruktur aussehen soll. Den digitalen Euro soll es in verschiedenen Formen geben, auch in einer Offline-Version. Die Vision ist, dass er aber zum Standard-Zahlungsmittel wird. Ich hoffe, dass wir in fünf Jahren alle schon etwas vom digitalen Euro bemerkt haben werden.  

DiFü-News: Wie würde denn ein digitaler Euro in der Offline-Version aussehen?  

Dr. Heike Winter: Das Prinzip soll ähnlich wie beim Bargeld sein. So wie das Bargeld von der Zentralbank über die Banken herausgegeben wird, würde es beim digitalen Euro auch funktionieren. Verbraucher:innen würden dann bei ihrer Bank eine Wallet vorfinden, und wer offline ist, könnte sich auch offline einen Betrag herunterladen. Die Bank würde dann zwar sehen, dass ein gewisser Betrag heruntergeladen wird, aber nicht mehr, was damit gekauft wurde. Das ist dann auch vom Datenschutzniveau sehr hoch, fast genauso wie beim Bargeld.  

DiFü-News: Wie würde ich denn an den digitalen Euro kommen? Was für ein Gerät brauche ich dafür? 

Dr. Heike Winter: Ähnlich wie Apple oder Google Pay über das Smartphone. Man könnte das Ganze auch auf Karten implementieren, wie eine Art Prepaid-Karte. Das ist allerdings eher als Alternative für die vorgesehen, die kein Smartphone haben oder mit ihrem Smartphone nicht zahlen möchten.  

DiFü-News: Ich habe eine letzte Frage, die sich auf das Design bezieht: Die Euromünzen und -Scheine haben ja mittlerweile einen Wiedererkennungswert durch Farben oder Motive. Wie soll das beim digitalen Euro aussehen?  

Dr. Heike Winter: Wir wollen auf jeden Fall, dass der digitale Euro wiedererkannt wird. Da müsste es ein Logo geben, das alle wiedererkennen, wenn man die Liste von Bezahlmöglichkeiten öffnet. Der digitale Euro ist als Ergänzung zu Münzen und Banknoten gedacht, sie werden auch weiter existieren. 

DiFü-News: Danke für das Gespräch, Frau Dr. Winter!