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In Folge 21 unseres Podcasts D wie Digital haben wir mit Dr. Maike Gossen gesprochen, die an der TU Berlin den Projektverbund des „Green Consumption Assistant“ leitet. Hier könnt ihr die Folge nachhören.
DiFü-News: Was ist nachhaltiger Konsum?
Dr. Maike Gossen: Nachhaltigkeit bedeutet, dass wir hier und heute so leben, dass in Zukunft für alle auf dem Planeten ein lebenswertes Leben möglich ist. Dieses Verständnis leitet sich vom Leitbild der nachhaltigen Entwicklung ab, die vor einigen Jahren in Form der Sustainable Development Goals, also Nachhaltigkeitszielen, festgehalten wurde. Daran kann man sich gut orientieren. Als eines dieser Nachhaltigkeitsziele ist auch der nachhaltige Konsum definiert.
DiFü-News: Was bedeutet das im Hinblick auf konkrete Verhaltensweisen?
Dr. Maike Gossen: Nachhaltiger Konsum kann zum Beispiel bedeuten, dass wir umweltfreundliche oder fair gehandelte Produkte kaufen, dass wir Verpackungsmüll reduzieren, dass wir Gegenstände und Kleidung reparieren anstatt sie zu entsorgen. Es bedeutet, dass wir Produkte in Kreisläufen verwenden. Deswegen betrifft nachhaltiger Konsum nicht nur den Kauf von Gegenständen, sondern ihren gesamten Lebenszyklus. Das bedeutet auch, dass wir darüber nachdenken, wie viel wir eigentlich benötigen, um unsere Grundbedürfnisse oder Konsumbedürfnisse zu erfüllen.
DiFü-News: Danke für diese Definition. Wer ist für nachhaltigen Konsum verantwortlich?
Dr. Maike Gossen: Nachhaltiger Konsum ist eine Gemeinschaftsaufgabe, da gibt es nicht den einen Akteur oder die eine Gruppe. Es gibt diese Tendenz, Verantwortung anderen zuzuschreiben, um sich selbst zu distanzieren. Diese sogenannte Verantwortungsdiffusion kann ein Hindernis darstellen. Denn wenn sich niemand verantwortlich fühlt und vorangeht, erreichen wir nicht die Ziele, die mit dieser dringenden Aufgabe verbunden sind. Das heißt allerdings nicht, dass nicht jede einzelne Person eine Verantwortung hat und durch ihren Lebensstil viel zur Nachhaltigkeit beitragen kann. Dazu zählen auch andere Gruppen wie Unternehmen und natürlich auch die Politik. Alle müssen ihren Beitrag leisten: Von Staat über Wissenschaft und Forschung bis hin zu Medien und Zivilgesellschaft.
DiFü-News: Was hat das Thema Nachhaltigkeit mit Digitalisierung zu tun?
Dr. Maike Gossen: Zunächst kann man sich ein Leben ohne Digitalisierung, ohne Internet gar nicht mehr vorstellen. Deswegen ist es auch nicht verwunderlich, dass die Digitalisierung auf die Art und Weise, wie wir konsumieren, Einfluss genommen hat. Schon bei der Entstehung von Bedürfnissen beeinflussen uns digitale Medien. Der eigentliche Kaufvorgang kann durch E-Commerce, durch Onlineshopping, durch digitale Bezahlsysteme mittlerweile im Internet abgewickelt werden. Darin liegen viele Chancen für nachhaltigen Konsum: Dass wir uns online jederzeit zu vielen verschiedenen Themen informieren können, ist eine große Chance. Außerdem gibt es im Onlinehandel Möglichkeiten, zum Beispiel mit Filterfunktionen, Werbung oder einer speziellen Preis- und Angebotssteuerung nachhaltige Produkte attraktiv zu machen oder zu ihnen Informationen zu verbreiten.
Das Internet kann auch dazu beitragen, die Lebensdauer von Produkten zu verlängern: von Second-Hand-Plattformen über Sharing-Plattformen bis hin zum Bereich Mobilität. Das Stichwort ist hier Dematerialisierung. Das bedeutet, dass, indem physische Gegenstände wie Bücher oder Tonträger digital angeboten werden, weniger Ressourcen benötigt werden, um das Produkt anzubieten. Diese können dann intensiver und von mehr Menschen genutzt werden, was häufig mit einem gesunkenen Energie- und Ressourcenverbrauch einhergeht. Es ist in vielen weiteren Bereichen vorstellbar, dass digitale Tools uns helfen, den Energie- und Ressourcenverbrauch zu senken.
DiFü-News: Das klingt sehr gut – gibt es auch eine Kehrseite?
Dr. Maike Gossen: Ja, die Einfachheit des Konsums kann dazu führen, dass wir insgesamt mehr konsumieren: Onlineshops sind zu jeder Tages- und Nachtzeit verfügbar. Außerdem können Tracking und personalisierte Werbung auch dazu führen, dass neue Konsumbedürfnisse erst entstehen und dass am Ende mehr konsumiert wird.
Und selbst die Dematerialisierung führt nicht immer zu Einsparungen: Das zeigen Ökobilanzierungen, die zum Beispiel die Energieemissionen oder die CO2-Emissionen entlang des ganzen Lebenszyklus betrachten. Stattdessen hängt es stark davon ab, wie diese Geräte genutzt werden, wie viele Bücher also tatsächlich auch so gelesen werden, ob ich sie mit anderen teile und wie oft sie genutzt wurden, wenn sie ausgetauscht werden. Es gibt ein großes Potenzial, aber am Ende hängt es immer von der Nutzungsweise und der Nutzungsdauer digitaler Geräte ab, ob sie im Vergleich zu den physischen und analogen Geräten Energie und Ressourcen sparen.
DiFü-News: Wie kann ich selbst nachhaltiger im Netz unterwegs sein? Welche Tipps gibt es?
Dr. Maike Gossen: Es geht los bei der Energieeffizienz. Das bedeutet, dass man darauf achtet, schon beim Kauf möglichst energiesparende Geräte anzuschaffen. Außerdem sollte man bei der Nutzung darauf achten, Geräte, die man gerade nicht benötigt, auszuschalten. Und beim Streamen von Videos und Musik kann man zum Beispiel eine geringere Auflösung wählen oder Inhalte herunterladen, um damit den Datenverbrauch zu reduzieren.
Dann gibt es Unterschiede in der Energieeffizienz von Browsern. Man kann Werbung und Tracking blockieren. Das ist nicht nur sinnvoll, weil personalisierte Werbung einen persönlich stört, sondern auch, weil sie Daten und Energie verbraucht.
Auch bei Suchmaschinen kann man sich informieren, welche Alternativen es zu den Standardanbietern gibt. Es gibt Suchmaschinen, die umweltfreundlicher sind, weil sie zum Beispiel ihre Server mit erneuerbaren Energien betreiben. Ein Beispiel ist die Berliner Suchmaschine Ecosia, die Bäume pflanzt.
Und auch bei der Nutzung von Cloud-Diensten gibt es einiges zu beachten: Denn eigentlich ist die Cloud ein Ablageort, der Energie verbraucht. Nur dass die Energie nicht bei mir direkt anfällt, sondern in Rechenzentren. Wenn man diesen Speicherplatz sparsam einsetzt, kann man auch hier Energie sparen.
Zuletzt ist auch die Entsorgung von Elektrogeräten wichtig. Wenn ich sie nicht mehr brauche, kann ich sie dann vielleicht reparieren oder an einen Refurbish-Dienstleister geben? Wenn wirklich gar nichts mehr zu machen ist, dann müssen Geräte ordnungsgemäß entsorgt werden.
DiFü-News: Das sind super Anregungen. Danke dafür!
Dr. Maike Gossen: Ein Projekt, an dem ich in den letzten Jahren geforscht habe und das wir mit Ecosia und einem zweiten Universitätspartner durchführen, ist das Projekt Green Consumption Assistant. Eine Anwendung, die wir in diesem Projekt entwickelt, implementiert und jetzt auch schon mehrmals getestet und verbessert haben, ist ein Unternehmens-Rating. Dabei bewerten wir die am häufigsten gesuchten Unternehmen auf Ecosia vor dem Hintergrund ihrer Umwelt- oder Nachhaltigkeitsversprechungen, den sogenannten climate pledges: Welche Ziele haben sich die Unternehmen gesetzt? Wie weit sind sie da? Wollen Unternehmen zum Beispiel tatsächlich ihre Emissionen reduzieren, indem sie Maßnahmen in ihrem Kerngeschäft angehen, oder kompensieren sie nur Emissionen? Unser Rating bewertet die Unternehmen auf einer Skala von A bis E. Das Rating wird über ein kleines Icon direkt neben dem Suchergebnis angezeigt.
DiFü-News: Wie fällt denn das Rating insgesamt aus?
Dr. Maike Gossen: Bislang gibt es kein Unternehmen, das von uns die Bestnote erhalten hat, da es bei den meisten noch sehr viel Verbesserungspotenzial gibt. Die Idee hinter dem Rating ist, dass die Nutzer:innen der Suchmaschine nicht nur für ihr eigenes Verhalten Tipps bekommen, wie sie nachhaltiger werden können, sondern, dass sie auch schon bei der Entscheidung für ein Unternehmen oder einen Dienstleister das Thema Nachhaltigkeit berücksichtigen.
DiFü-News: Hast du zum Abschluss noch eine „digitale Empfehlung“ für mehr nachhaltigen Konsum?
Dr. Maike Gossen: Ich möchte einen Newsletter des Journalistennetzwerks Flip empfehlen, das sich die Aufgabe gesetzt hat, gegen „Greenwashing“ vorzugehen. Greenwashing ist ein großes Problem, insbesondere für den nachhaltigen Konsum, weil es fälschliche Nachhaltigkeitsinformationen oder falsche Nachhaltigkeitsinformationen über Produkte oder auch Unternehmen verbreitet, um Kaufentscheidungen zu beeinflussen. Die Täuschung der Verbraucher:innen durch Greenwashing hat in den letzten Jahren sehr zugenommen. Insbesondere im Siegelbereich ist das kürzlich von staatlicher Seite durch neue Regeln auf EU-Ebene angegangen worden, dass zum Beispiel nicht mehr auf Produkten ein CO2-neutral-Label stehen darf, wenn diese Behauptung nicht wirklich erwiesen ist.
Deswegen kann ich den Flip-Newsletter sehr empfehlen – weil er so aufschlussreich ist und nicht nur bei der Kritik einzelner Unternehmen stehenbleibt, sondern auch Unternehmens- und Produktalternativen vorstellt, bei denen man dann sicher sein kann, dass sie wirklich nachhaltig und nicht grüngewaschen sind.
DiFü-News: Danke für diesen Tipp und das spannende Gespräch!
Dr. Maike Gossen: Sehr gerne, es hat Spaß gemacht!
Artikelbild: ready made via pexels.com
Bild Dr. Maike Gossen: Gordon Welters
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