Wer Dinge sieht, die gar nicht da sind, wird normalerweise vielleicht eher skeptisch beäugt. Mit der Verbreitung von Augmented-Reality-Apps hat sich das etwas verändert. Unter Augmented Reality (englisch für: Erweiterte Realität) oder kurz AR versteht man die computergenerierte Ergänzung von Wahrnehmungen der Realität. Theoretisch kann das das gesamte Sinnesspektrum abdecken. In der Regel beziehen sich AR-Anwendungen aber auf das Einfügen von Bildern, Videos oder ganz allgemein virtuellen Objekten in eine Umgebung.

In der Regel gelingt das mithilfe des Smartphones oder Tablets. Wie in dem nachfolgenden Beispiel kann bei der Verwendung einer AR-App beim Blick durch den Handybildschirm etwa ein zusätzlicher Holzgegenstand auf dem Tisch erscheinen, der in Wirklichkeit gar nicht dort steht.

AR in der Praxis: Mithilfe des Smartphones können virtuelle Gegenstände in die reale Umgebung integriert werden.

Erweiterte und virtuelle Realität – wo ist der Unterschied?

Augmented Reality grenzt sich damit erheblich von Virtual Reality (englisch für: Virtuelle Realität, kurz: VR) ab. Beide Technologien werden oftmals im gleichen Atemzug genannt, allerdings unterscheiden sich AR und VR deutlich voneinander. Letzteres erstellt eine komplett neue Welt, mit der die Nutzer:innen interagieren und in der sie sich bewegen können.

In der Regel benötigen VR-Anwendungen eine entsprechende VR-Brille, mit der dann die vollständige Umgebung virtuell dargestellt wird. Nutzer:innen sind dann zumindest mit Blick auf die audiovisuelle Wahrnehmung komplett von der analogen Außenwelt abgeschottet, wie im nachfolgenden Bild gezeigt.

Virtual Reality: Im Gegensatz zu AR verwandeln VR-Brillen die komplette Umgebung in eine virtuelle Welt.

AR hingegen modifiziert und ergänzt lediglich Informationen in der analogen Welt. Oft wird die erweiterte Realität daher auch als vermischte Realität bezeichnet (englisch: Mixed reality).

Wo und wie lässt sich AR bereits im Alltag nutzen?

Vor allem im privaten Bereich kommt die erweiterte Realität am häufigsten auf Smartphones und Tablets zum Einsatz. Der erste Schritt ist dabei immer der gleiche: Mit einer Kamera wird ein Ausschnitt der Realität festgehalten. Je nach Anwendung und Wiedergabemedium fallen die gewünschten Ergänzungen dann unterschiedlich aus.

Ergänzende Navigation im Straßenverkehr

Im Bereich der Navigation kann ein Routenvorschlag des Kartendienstes auf dem Gerätebildschirm direkt auf die zu befahrende Straße gelegt werden. Das erleichtert das Verständnis der Wegbeschreibung, insbesondere in Abbiegesituationen.

Viele Automobilhersteller haben zudem mittlerweile Modelle mit einem „Augmented Reality Head-up-Display“ im Angebot. Dabei handelt es sich um eine Windschutzscheibe, auf die wichtige Informationen projiziert werden können. Fahrer:innen haben so alle relevanten Hinweise in ihrem Sichtfeld und werden nicht durch andere Bildschirme abgelenkt.

Wer noch nicht über ein solches Automodell verfügt, kann seine ersten Schritte im AR-Bereich alternativ auch wortwörtlich zu Fuß erleben. In der App Google Maps können sich Fußgänger:innen seit 2018 mithilfe von AR Routen in Echzeit auf ihrem Smartphone anzeigen lassen. Die Funktion heißt „Live View“ und lässt sich auf Android-Geräten wie folgt aufrufen:

  1. Google Maps öffnen
  2. Ziel auswählen durch Tippen auf die Karte oder Eingabe in die Suchleiste.
  3. Routenführung auswählen und für die Fußgängerroute „Zu Fuß“ antippen.
  4. Im unteren Bildschirmbereich „Live View starten“ auswählen.
  5. Anleitung zur Standortermittlung folgen und Handykamera auf Schilder oder Gebäude richten.

Voraussetzung für die Nutzung der Funktion ist, dass das Smartphone diese Technologie auch unterstützt. Dies können Interessierte einfach in der Liste für Android-Geräten oder der Liste für iOS-Geräte (ganz nach unten scrollen) überprüfen.

Google Maps: Routen für Fußgänger:innen können mit der Funktion „Live View“ wahlweise auch im AR-Modus navigiert werden.

Auch Apple Maps rollt aktuell ein entsprechendes AR-Feature aus, das in immer mehr Städten für iOS 15 Nutzer:innen verfügbar sein wird.

„Immersive Walking Directions“: Auch Apple Maps verfügt über ein AR-Feature in seiner Navigations-App.

Übersetzung und Textverarbeitung in Echtzeit

Augmented Reality kann nicht nur bei der räumlichen Orientierung unterstützen, sondern ebenfalls sprachliche Hindernisse überwinden. Die App Google Lens ermöglicht beispielsweise das Übersetzen von fremdsprachigen Texten in Echtzeit, seien es Essensmenüs, Straßenschilder oder wie im nachfolgenden Beispiel Zugtickets.

Google Lens: Mit der AR-Technologie lassen sich Sprachbarrieren in Echtzeit überwinden.

„Augmented Learning“ im Bildungsbereich

Augmented Reality kann auch in der Schule, Universität oder in der beruflichen Weiterbildung als Lerntechnologie zum Einsatz kommen. Durch die Verschmelzung von virtueller und realer Welt lassen sich Lerninhalte noch stärker in die Praxis einbinden. Die Anwendungsfälle können dabei ganz unterschiedlich ausfallen. Virtuelle Hologramme in der realen Umgebung helfen beispielsweise Medizinstudent:innen dabei, den menschlichen Körper zu studieren und Mechaniker:innen können mittels AR virtuelle Anleitungen für bestimmte Arbeitsprozesse an realen Maschinen erhalten.

AR in der Bildung: Mittels Tablet lässt sich die menschliche Anatomie erlernen.

Erweiterung des Shopping-Erlebnisses

Auch im Shopping-Bereich findet Augmented Reality unter dem Schlagwort „Virtual Try on“ immer mehr Anwendung. Beispielsweise bieten bestimmte Möbelhäuser und Modeläden eigene Apps an, mit denen man beispielsweise per Smartphone, Tablet oder lebensgroßem Bildschirm neue Kleidungsstücke und Accessoires virtuell anprobieren kann oder sich computergenerierte Einrichtungsgegenstände testweise in den eigenen vier Wänden platzieren lassen.

Virtual Try on: Mittels AR spart sich eine Kundin den Gang in die Umkleidekabine.

Kreative Anwendung in sozialen Netzwerken

In einigen sozialen Netzwerken wie Snapchat, Instagram oder TikTok sind Nutzer:innen in der Lage, mit sogenannten „Filtern“ verschiedene kreative und fantasievolle Ergänzungen in die Kameradarstellung zu laden. So lassen sich Seifenblasen, Konfetti oder Luftballons genauso virtuell hinzufügen wie bestimmte Wetterbedingungen, Tiere, Pflanzen oder sonstige Inhalte. Auch das eigene Aussehen kann AR verändern: Je nach gewähltem Modus hat man plötzlich eine andere Haarfarbe, ein bestimmtes Make-up oder gleich ganz andere Augen – das gilt natürlich auch für Tiere:

Auch im Bereich der Videospiele steht die erweiterte Realität zunehmend im Kurs. Dank AR können beispielsweise echte Spielfiguren zumindest über ein mobiles Gerät zum Leben erweckt werden. Digitale Spieltitel setzen auf den Reiz, die echte Umgebung mit virtuellen Inhalten anzureichern. So ist die App „Pokémon Go“ seit 2016 bei einem größeren Publikum beliebt.

Pokémon Go: Mit der AR-App kann man sich seit 2016 auf virtuelle Schnitzeljagd begeben.

Wie virtuell wird die Zukunft?

Unsere Beispiele haben gezeigt: Die Bandbreite an Einsatzmöglichkeiten für Augmented Reality ist bereits heute schon sehr groß. Als ergänzende Informationen, Anleitungen oder Kreativitäts-Tools sind AR-Anwendungen in den unterschiedlichsten Lebensbereichen im Einsatz und können den Alltag zu Unterhaltungs-, Bildungs- oder Servicezwecken bereichern. Mit der wachsenden Leistungsfähigkeit und Genauigkeit der Geräte dürften auch die Möglichkeiten für AR-Anwendungen noch weiter zunehmen.

Welche Auswirkungen die dauerhafte oder regelmäßige Einbindung und Erkennung von realen Menschen in solchen Diensten haben wird, ist jedoch noch nicht abzusehen. Die aktuellen Entwicklungen weisen jedoch darauf hin, dass die analoge und digitale Welt immer mehr miteinander verschmelzen werden und AR dabei eine zunehmend wichtige Rolle spielen wird.